Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
der Sommer bringt überall seine eigenen Regeln ins Spiel. Auch beim Frankfurter Personenlexikon läuft in diesen Wochen nicht alles wie gewohnt. Daher freue ich mich besonders, Ihnen jetzt im August trotz mancher jahreszeitlicher Widrigkeiten wieder eine Lieferung lesenswerter Neuerscheinungen präsentieren zu können. Der Artikel des Monats erzählt eine fast vergessene Biographie aus der Frankfurter Medizin- und Stiftungsgeschichte.
Artikel des Monats August 2025:
Frankfurts beliebtester Hausarzt
Er war ein Arzt wie aus dem Bilderbuch: Theodor Neubürger. Im Jahr 1858 ließ sich der junge Mediziner als praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer in Frankfurt nieder. Bald war er einer der gesuchtesten und beliebtesten Hausärzte in der Stadt. In allen Kreisen der Bevölkerung war er wegen seiner außerordentlichen fachlichen Qualifikation, seiner empathischen Behandlungsweise und seiner aufopfernden Einsatzbereitschaft hochangesehen. Er war gut vernetzt in Frankfurter Medizinerkreisen, hielt sich auf dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und forschte selbst, insbesondere auf seinem Fachgebiet der Herzerkrankungen. Zudem engagierte er sich als Vorstandsmitglied der Israelitischen Gemeinde und später als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung für die Verbesserung des Gesundheitswesens in Frankfurt. Da konnte es schon manchmal passieren, dass der vielbeschäftigte Arzt am Ende eines langen Tages erst kurz vor Mitternacht zum letzten Hausbesuch kam. Unbemittelten Kranken schrieb er nur kleinste oder gar keine Rechnungen.
Anlässlich seines 50. Doktorjubiläums 1903 wurde Theodor Neubürger von vermögenden Patienten und Patientinnen der Betrag von 75.000 Mark für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt. Er stockte das Kapital um 25.000 Mark aus eigener Tasche auf und gründete damit die „Neubürger-Stiftung für experimentelle Therapie“. Auf den Rat von Paul Ehrlich wandte sich die Stiftung ab 1911 ausschließlich der Kolloidforschung zu. Das von der Stiftung errichtete und getragene Institut für Kolloidforschung war damals einzigartig in Deutschland. Es ging 1973 im Gustav-Embden-Zentrum der Biochemie am Fachbereich Medizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität auf.
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Angesichts zweier außergewöhnlicher aktueller Gedenktage führen die beiden anderen Artikel der Augustlieferung in die Frankfurter Stadtgeschichte der 1960er Jahre.
Vor 65 Jahren, am 12. August 1960, traf das Gemälde „Commedia dell’arte“ von Marc Chagall in Frankfurt ein. Auf Initiative des Kulturdezernenten Karl vom Rath war der damals schon weltberühmte und heute wohl populärste Künstler der Moderne gewonnen worden, ein Bild eigens für das Foyer des entstehenden Theaterneubaus in Frankfurt zu schaffen. Ab dem 18. November 1960 wurde Chagalls monumentales Gemälde – eines seiner größten Bilder überhaupt – mit den dazugehörigen Entwurfsskizzen im Städelschen Kunstinstitut dem Frankfurter Publikum vorgestellt. Seit der Eröffnung der Theaterdoppelanlage für die Städtischen Bühnen im Dezember 1963 hingen Gemälde und Skizzen dort im zentralen Foyer, das schon bald „Chagallsaal“ genannt wurde. Auch aus konservatorischen Gründen wurden im Chagallsaal des Theaterfoyers um 2013 die Entwurfszeichnungen durch Reproduktionen ersetzt und 2023 das Gemälde gegen eine Kopie ausgetauscht. Das Originalgemälde von Marc Chagall ist seit Februar 2025 im Städel Museum ausgestellt – um in der Zukunft vielleicht wieder in einem Frankfurter Theaterneubau einen Platz zu finden.
Szenenwechsel.
Vor 60 Jahren, am 25. September 1965, starb die Schauspielerin Sophie Cossäus, die durch ihr langjähriges Mitwirken in den „Hesselbach“-Serien von Wolf Schmidt bekannt und beliebt wurde. Besonders als Fräulein Lohmeier im Fernsehbetrieb der „Hesselbachs“ in den frühen 1960er Jahren ist sie unvergessen. Schon in der Buchausgabe der „Frankfurter Biographie“ war Sophie Cossäus mit einem Eintrag vertreten. Beim genaueren Hinsehen erwies sich der alte Artikel, der sich im Wesentlichen auf die Auswertung von Presseartikeln stützte, teilweise lücken- und auch fehlerhaft. Anhand von Quellen wie Personenstandsunterlagen, Einträgen im Neuen Theater-Almanach und im Deutschen Bühnen-Jahrbuch oder Besetzungszetteln wurde daher die Biographie von Sophie Cossäus für das Frankfurter Personenlexikon rekonstruiert und grundlegend neu geschrieben. Auch wenn manche Fragen trotz intensiver Recherche offenbleiben mussten, gibt der neue Artikel nun einen guten Eindruck von der Frankfurter Biographie einer Schauspielerin vom Beginn der 1920er bis in die 1960er Jahre.
Gerade der letztere Artikel wäre vielleicht gar nicht oder noch nicht erschienen, wenn uns nicht der Sommer aus dem Konzept und dadurch auf neue Ideen gebracht hätte. So hat alles auch sein Gutes.
Mit den besten Sommerwünschen grüßt Sie
herzlichst
Ihre Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. September 2025.